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Regenbogen

Kurz und schmerzlos. Ein Schnitt. Ein Ruck. Zwei Teile. Einer ist für den einen entbehrlich. Für den anderen bedeutet er, leben zu dürfen.

Als der heilige Martin von Tours vor um und bei 700 Jahren in einem bitterkalten Winter seinen Mantel mit dem zerlumpten Bettler teilte, hat er wahrscheinlich nicht an die Bibel gedacht. Oder daran, dass da etwas über die Nächstenliebe drinsteht. Er war ja noch nicht einmal Christ zu dem Zeitpunkt. Und trotzdem hat er intuitiv danach gehandelt, als vor seinen Augen ein Mensch fast erfroren wäre.

Na klar: Ein langer, warmer Mantel hätte es Martin selbst viel leichter gemacht, durch den Tag zu kommen. Eingehüllt in einen dicken Puffer, ist das Leben entspannter. Aber er entscheidet sich, in harten Zeiten darauf zu verzichten und damit einem anderen Menschen zu helfen.

Es ist schon hart, sich etwas abzuschneiden, was einem gehört. St. Martin benutzt sein Schwert, um seinen Mantel zu zerteilen. Das macht es um so bildlicher, dass das ein Kraftakt ist. Nächstenliebe ist das wahrscheinlich auch manchmal.

Ich bewundere diesen Martin, der das getan hat, umso mehr, seit ich anfange, selbst in diesen Zeiten zu frieren. Das Wetter wird kälter. Die Stimmung unter den Menschen auch. Es geht um hart erarbeitete Lebensqualität. Es geht um den Puffer, der Sicherheit gibt. Es geht um Besitz, für den man etwas geleistet hat. Und es geht um verdientes Geld für diejenigen, die gerade spüren, wie an all dem gezogen und danach gegriffen wird. So wie der Bettler vielleicht auch an Martins Mantel gezogen hat: „Ich brauche dich.“

Für diejenigen, die keinen Puffer haben und auch sonst nichts, womit sie durch den Winter kommen können, geht es ums Überleben. Sie haben buchstäblich nichts, mit dem sie diesem Winter entgegentreten können. Das betrifft viele tausend Menschen hier in Deutschland. Nicht allein diejenigen, die auf der Straße betteln müssen.

Und da sind noch so viel mehr Menschen, die im Moment frieren. Ihnen wurde das Dach über dem Kopf zerbombt. Noch am Beginn dieses Jahres durften sie jeden Tag in Frieden schlafen und in ihrem eigenen Land in Sicherheit aufwachen. Der bitterkalte Winter, der jetzt auch für sie anbricht, ist eigentlich schon seit Monaten in ihrem Leben.

Kurz und schmerzlos ist es sicherlich für kaum jemanden im Moment, zu verzichten und abzugeben, was man hat. Dass Nächstenliebe manchmal ganz schön was verlangt, ist im Moment für viele Menschen spürbar.

Martin hat es trotzdem gemacht. Ganz schön bewundernswert. So sehr, dass wir das seit 700 Jahren unseren Kindern erzählen.

Von Pastorin Carola Scherf


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